Customer Retention mit dem Hook-Modell

Steigerung der Customer Retention

Was ist ein Indikator für eine gute App? Generell kann man wohl sagen, dass eine App den Erwartungen des Users dann entsprochen haben dürfte, wenn sie sich nach drei Tagen noch immer auf dem Smartphone des Kunden befindet. Wie mobile zeitgeist am Beispiel von Android-Apps aufzeigte, verliert eine App, ausgehend vom gesamten Marktdurchschnitt, an den ersten drei bis sieben Tagen 80% der täglich aktiven Nutzer. Innerhalb von 30 Tagen sind 90% und nach 90 Tagen ist mit 95% fast die gesamte Basis der täglichen Nutzer abgesprungen. Wo liegen die Gründe für diese exorbitant hohen Absprungzahlen? Wie mobile zeitgeist bereits in einer anderen Studie feststellte, gelten App-Nutzer als „ungeduldig, fehlerintolerant und anspruchsvoll“.

 

Als Produktmanager für Ihre mobile App müssen Sie hierauf eine Antwort haben. In der Vergangenheit lag der Fokus oft auf Maßnahmen zur Customer-Akquisition und Customer-Activation, doch diese sind mit hohen Kosten verbunden. Wenn die User-Retention, also die Bindungsrate, wegfällt, gehen nicht nur Revenue, sondern auch sehr wertvolle Weiterempfehlungen verloren, welche wohl den kostengünstigsten und erfolgreichsten Customer-Akquisition Kanal darstellen. Die reine Anzahl der App-Downloads sagt demnach rein gar nichts mehr über den Erfolg einer App aus.

 

Die Konvertierung von Nutzern zu loyalen, langlebigen Kunden ist das neu erklärte Ziel zur Steigerung des Customer-Life-Time-Value. Die zwei maßgeblichen KPIs (Leistungskennzahlen) für den Erfolg einer App sind die aggregierte Retentionrate (monatlich aktive Nutzer bezogen auf die Gesamtzahl aller Installationen) sowie die Enagementwerte. Letztere geben an, wie aktiv die Nutzer sind, was sich beispielsweise in der durchschnittlichen Verweildauer oder an der Anzahl von Likes, Shares oder Kommentaren messen lässt.

Retention Maßnahmen

In den ersten Tagen der Nutzung ist es unabdingbar, eine sehr gute User Experience sicherzustellen. Um die Retentionrate zu erhöhen sind folgenden Ansätze weitverbreitet:

 

  • Onboarding
    Es ist sinnvoll, neuen Nutzern beim ersten Start der App deren Mehrwert zu erklären und diese zu motivieren, die ersten Schritte zu gehen. Im Postbank Finanzassistent, zum Beispiel, wurde eine Intro-Tour implementiert, die nach der Installation der App abgespielt wird. Des Weiteren wird durch eine Update-Tour immer konkret auf die neuen Features des letzten App-Releases eingegangen.
  • Push-Notifications
    Der Anspruch bei Pushes ist hoch. Die Datenbasis spielt dabei eine entscheidende Rolle. Zudem funktionieren Pushes idealerweise vollautomatisch. Um nachhaltig und zuverlässig zur Retention beizutragen, müssen Pushes prinzipiell folgende Bedingungen erfüllen: den richtigen Nutzer, zur richtigen Zeit, mit den richtigen Informationen am richtigen Ort erreichen. Beispiel congstar App: Kunden, die gekündigt haben, erhalten einige Monate vor Ablauf des Vertrages vollautomatisch eine Push-Notification, die auf ein Comeback-Offer in der App hinweist.
  • E-Mailing und Deep-Links
    Verschickt Ihr Unternehmen in regelmäßigen Abständen Service-Mailings oder Marketing-Mailings? Dann nutzen Sie diesen TouchPoint, um auf die App hinzuweisen und mit Deep-Links direkt in die richtige Stelle in der App zu springen. Die congstar App reagiert auf Deep-Links, die z.B. in Rechnungsbenachrichtigungen, Angebots-Newslettern oder auf der responsive Website untergebracht sind.
  • Social News Feed
    Apps, die auf einem Social-Account und einer Community basieren, können einen Feed nutzen, um ihren Nutzern täglich relevante und personalisierte Inhalte sowie Aktivitätsnotifikationen ihrer Freunde darzustellen. Der Umstand, dass man in einer App mit Freunden verbunden ist, reduziert die Churnrate massiv.
  • Incentives
    Die Vodafone App hat einen recht einfachen, aber sehr wirkungsvollen Weg zur Steigerung der Retention gefunden. Pro Monat erhält jeder App Nutzer, der die App öffnet, 100 MB Datenvolumen zum Surfen geschenkt. Solche App-spezifischen Belohnungen könnten auch speziellen Content, Coupons oder Rabatt-Aktionen umfassen. Im Postbank Finanzassistent kann der Kunde Rabatte beim Kauf von Gutscheinen für GooglePlay, Apple, Microsoft oder anderes erhalten.

Das Hook Modell

Eine weitere vielversprechende Herangehensweise beschreibt Nir Eyal in seinem dem Buch „Hooked - How to built Habit-Forming Products“. Ziel ist es, die gewohnheitsmäßige Nutzung des Produktes zu erreichen. Nach Erfahrungen von Nir Eyal ist der heilige Gral der Customer-Retention dann gehoben, wenn der Nutzer alleine durch seine Emotionen automatisch dazu getriggert wird, das Produkt zu verwenden.

 

Eine Gewohnheit ist eine Verhaltensweise, die mit wenig bis keiner kognitiven Aktivität ausgeführt werden kann. Mehr als 50% unserer täglichen Verhaltensweisen sind routinierte Reaktionen und Gewohnheiten, die in uns automatisiert ablaufen, ohne dass wir darüber nachdenken müssen. Beispiel Arbeitsweg: Diesen fahren wir meist täglich, ohne uns darüber Gedanken machen zu müssen. Fahren wir dann am Wochenende eine ähnliche Strecke, so finden wir uns manchmal vor dem Büro wieder, obwohl wir doch vor 10 Minuten rechts zu unseren Freunden abbiegen wollten. Auch ein weiteres Beispiel dürfte einem bekannt vorkommen: Bei sehr vielen Menschen ist es zur täglichen Gewohnheit geworden, nach dem Aufwachen erst einmal die Social-Media-Kanäle nach neuen Nachrichten zu überprüfen, noch bevor man dem Partner einen guten Morgen wünscht. Der innere Antreiber (Trigger) hierfür ist auch als FOMO – Fear of missing out – bekannt.

 

Um eine Gewohnheit zu formen, muss der Nutzer mehrmals durch die folgenden vier Phasen geführt werden:

  •  Trigger zur Nutzung
  •  Durchführung einer Aktion
  •  Erfahrung einer Belohnung
  • Animation zur Investition

Unter Triggern sind zum einen externe Trigger, wie die oben erwähnten Retention-Maßnahmen, zu verstehen. Hierzu zählen auch Werbung, Medienauftritte, Empfehlungen oder E-Mail Newsletter. Diese Trigger sind relativ teuer und aufwendig zu erzielen. Besser ist es, wenn bereits die Emotionen und Gefühle der Kunden die Nutzung triggern. Wenn die Kunden beispielsweise auf der Suche nach Unterhaltung, Ablenkung, Inspiration, Gemeinschaft, Wertschätzung oder Sicherheit sind und dadurch schon die gewohnheitsgemäße Nutzung des Produktes ausgelöst wird, fördert dies massiv die Retentionrate und sorgt für Kosteneinsparungen.

 

Dies kann erreicht werden, wenn bei der Gestaltung der User Experience ein sehr starker Fokus auf die Nutzeranalyse gelegt wird. Welche Verhaltensweisen, Sorgen und Bedürfnisse hat die Zielgruppe? In welchen Situationen kann das Produkt vornehmlich genutzt werden? Wird das Produkt eher als Vitamin oder Painkiller verwendet? Basierend auf einer solchen Analyse soll jede Nutzeraktion mit einer sofortigen Belohnung bedient werden, die genau auf die vorher identifizierten Bedürfnisse eingeht. Eine Belohnung kann darin bestehen, dass die angefragten Informationen sofort, ohne Wartezeit und komplizierten Login bereitgestellt werden. Sorgt sich ein Kunde darum, ob sein Guthaben noch ausreicht, um ein Telefonat mit seiner Fernbeziehung zu führen, dann erfüllt ihm die congstar App dieses Bedürfnis nach Sicherheit, indem nach einfachem Login mittels TouchID der Guthabenstand zuverlässig und schnell angezeigt wird.

  • Tribe Rewards
    Geben dem Nutzer das Gefühl, dass er von anderen Nutzern akzeptiert, für attraktiv, bedeutend und zugehörig befunden wird. Konkret könnte dies durch das Erlangen von Likes, Followern oder Badges / Auszeichnungen umgesetzt werden. Viele Fitness-Apps arbeiten mit dieser Art der Belohnung.
  • Hunt Rewards
    Gebe dem Nutzer das Erfolgsgefühl, das man verspürt, wenn man etwas wirklich Außergewöhnliches gefunden hat. Konkret könnte dies dadurch erreicht werden, dass dem Nutzer eine Unmenge an News/Infos, lustigen Bildern oder inspirierender Videos angeboten werden. Der Nutzer „jagt“ dann in diesem Urwald für ihn relevante Inhalte. Apps wie Pinterest oder Twitter arbeiten stark mit dieser Art der Belohnung.
  • Self Rewards
    Bei einigen Menschen sorgt intrinsische Motivation für den Willen, Fortschritt zu erzielen und etwas vollständig zu meistern. Menschen mit diesem Bedürfnis sind sehr angetan von Fortschrittsanzeigen und freuen sich über erledigte Dateneingaben und die Möglichkeit, Checklisten abzuhaken. Der Postbank Finanzassistent unterstützt diese Menschen dabei, indem er viele Möglichkeiten bietet, die eigenen Kontoumsätze zu kategorisieren und so zu ordnen. Eine plattformübergreifende Synchronisation ermöglicht es, dass der Kunde diese Regeln nur einmal anlegen muss, wenn er z.B. ein Android Smartphone parallel zu seinem Apple iPad verwendet.

Nachdem der Nutzer eine für ihn erfreuliche Belohnung erfahren hat, ist der geeignete Zeitpunkt, diesen um eine Investition in das Produkt zu bitten. Mit Investition ist kein monetärer Beitrag gemeint. So eine Nutzerinvestition kann unterschiedliche Ausmaße haben. Der Nutzer könnte beispielsweise selbst neue Inhalte in das Produkt einstellen (z.B. neue Bilder bei Pinterest hochladen). Auch das Teilen, Liken oder Empfehlen von bestehenden Inhalten zählt als Investition. Regelmäßig, nachdem Kunden eine Aktion in der congstar App, wie z.B. die Buchung einer Option oder die Änderung der Bankverbindung, vorgenommen haben, bittet die App um eine positive Bewertung im Store. Das Produkt für die eigenen Bedürfnisse und Interessen zu personalisieren, wie die erwähnten Umsatzregeln beim Postbank Finanzassistent, zählt ebenso als Investition des Kunden in das Produkt. Generell ist festzuhalten, dass Nutzer dann in ein Produkt investieren, wenn sie die Aussicht auf einen höheren, längerfristigen Nutzen sehen. Und es ist zu beobachten, dass je mehr ein Nutzer an Zeit und Arbeit in ein Produkt investiert hat, desto mehr Wertschätzung drückt er diesem gegenüber aus.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das Hook-Model für einen breiten Anwendungsbereich interessant ist, da es so generisch gehalten ist, dass sich ein Produktmanager bei jeder Produktentwicklung folgende Fragen stellen sollte:

  • Was triggert meine Kunden, mein Produkt zu nutzen?
  • Welche Bedürfnisse wollen sich meine Kunden erfüllen?
  • Wie kann die Nutzung des Produktes dahingehend belohnt werden, dass eben diese Bedürfnisse direkt erfüllt werden?
  • Wie kann ich meine Kunden dazu animieren, selbst in das Produkt zu investieren, damit sie dadurch einen noch höheren Nutzen erfahren?

Haben Sie erste Hypothesen zur Beantwortung dieser Fragen, beispielsweise mittels der Methode des Empathy-Mapping erarbeitet, dann können Sie diese mithilfe von Analtyics-Zahlen und konsequentem A/B Testing (z.B. mittels Firebase, wie es in der congstar App genutzt wird) verifizieren. So erhalten Sie detaillierte Einsichten in die Kundensegmentierung sowie die unterschiedlichen Verhaltensmuster und ziehen daraus Schlüsse zur Steigerung ihrer Retention- und Engagementzahlen.