Running Lean #2

Risiken validieren mit Interviews

Im Beitrag Running Lean #1 habe ich den Lean Canvas von Ash Maurya erläutert und wie anhand dessen relevante Produkt-, Kundensegment- und Marktrisiken identifiziert werden. Um die Risiken, in Form von bisher ungetesteten Hypothesen validieren zu können, musst du diese in falsifizierbare Hypothesen umformulieren. Dies sind Hypothese die du hinterfragen und testen kannst und die sich ganz eindeutig als falsch oder eben wahr herausstellen können. Dies soll verhindern, dass du gerade genug Anzeichen für die Richtigkeit deiner Hypothese sammelst, dass du dir selbst einreden kannst, dass sie wahr ist. Eine falsifizierbare Hypothese besteht aus einer spezifischen, wiederholbaren Aktion (z.B. Blogbeitrag veröffentlichen) und einem erwarteten messbaren Ergebnis (100 mehr Registrierungen).

Wenn Du z.B. die Problemhypothesen hast, dass Eltern von Kleinkindern keine Zeit haben, um Fotos an die Verwandtschaft zu schicken und somit Konflikte auftreten, dann könnte eine falsifizierbare Hypothese wie folgt lauten: 

Von 10 geführten Interviews (Aktion) mit Eltern von Kleinkindern, werden 7 Interviews zeigen (messbares Ergebnis), dass die Eltern unter folgenden Problemen leiden und diese relevant bezeichnen: 

  • Problemhypothese 1: Zeitmandel 
  • Problemhypothese 2: Regelmäßig von Verwandten um Fotos geben werden und dieser Bitte Aufgrund Zeitmangels nicht nachkommen können 
  • Problemhypothese 3: wodurch Konflikte entstehen

Sollten mindesten 7 Interviews diese Hypothesen bestätigen, dann hat Du die Sicherheit gewonnen, dass deine Hypothesen sehr wahrscheinlich der Realität entsprechen und das Risiko vermindert, dass du versuchst ein Problem zu lösen was niemand hat. Ob die Lösungsidee dann skaliert, muss noch durch andere Tests validiert werden. Sollten weniger als 7 Interviews dieses Probleme bestätigen, solltest du noch mal darüber nachdenken, ob es wirklich einen Bedarf an der Lösung dieser gibt.  

Problemhypothesen testen

Formuliere die Problemstatements aus dem Lean Canvas falsifizierbar in dem du definierst:  

  • Von 10 Interviews werden 7 zeigen, dass die definierten Top-3 Probleme für die interviewten Personen hohe Relevanz haben und diese darunter leider oder sehr unzufrieden sind.  
  • Von 10 Interviews werden 7 zeigen, dass die gefunden Alternativlösungen von den interviewten Personen genutzt werden.  
  • Von 10 Interviews werden 7 zeigen, dass die interviewten Personen zu der definierten Zielgruppe gehören und damit die Rückmeldungen aus dem Interview übertragbar sind.  

Das Probleminterview läuft wie folgt ab: 

 

Vorstellung (2 Min): 

Den Interviewten willkommen heißen, sich Bedanken, erklären woran Du gerade arbeitest, erläutern warum das Interview wichtig ist, wie es ablaufen wird, wie lange es dauert und dass es nur darum geht zu lernen, um die aktuelle Situation besser zu verstehen. 

 

Daten sammeln (2 Min): 

Erfrage hier Daten, die darüber Aufluss geben, ob der Interviewte in das von dir definierte Kundensegment fällt.  

 

Erzähle eine Story, um den Problemkontext zu beschreiben (2 Min): 

Illustriere den Hintergrund und Geschichte Rund um die definierten drei Hauptprobleme.  

 

Problem Ranking (4 Min): 

Führe in kurzen Sätzen die drei Hauptprobleme auf und erfrage, ob diese relevant sind und in welcher Reihenfolge. Veränderte immer Mal wieder die Reihenfolge der Probleme, damit die befragen Personen nicht beeinflusst werden.   

 

Erfahre mehr über die Sicht des Kunden zu den Problemen (15 Min): 

Frage zu jedem Problem, wie der Kunde es heute löst. Lasst dir dies genau erklären und Frage nach mehr Details. Höre genau zu welche Worte der Interviewte wählt. Diese können für die Formulierung der UVP wichtig sein.  

 

Ende des Interviews (2 Min): 

Erkläre, dass du gerne wieder ein Interview machen möchtest, sobald die Lösung weiter durchdacht und vorzeigbare Ergebnisse vorhanden sind. Frage, ob du die Person erneut kontaktieren darfst und erbete den Kontakt zu einem weiteren Kollegen oder Bekannten den du kontaktieren könntest.  

Am Ende der Interviewreihe solltest du zu folgenden Punkten Klarheit haben: 

  • Du kennst die demographischen Daten deiner Early Adopters und aktualisiert das Kundensegment im Lean Canvas.  
  • Du weißt was das massivste Hauptproblem dieses Personenkreises ist und überarbeitest dein eigenes Problemstatement im Lean Canvas.  
  • Du kannst beschreiben, wie diese Personen das Problem heute lösen. Die Zielgruppe wird ihre aktuelle Lösung mit deiner Vergleichen, um zu entscheiden, ob es für sie von Vorteil ist zu Wechseln.  

Solutioninterviews

Formuliere die Solutionstatements aus dem Lean Canvas falsifizierbar in dem du definierst:  

  • Von 10 Interviews werden 7 zeigen, dass die angenommenen Probleme für die Zielgruppe relevant sind.  
  • Von 10 Interviews werden 7 zeigen, dass definierte Lösungen wirklich geeignet sind, um die Probleme zu lösen.    
  • Von 10 Interviews werden 7 zeigen, dass der festgelegte Preis durch die Interviewten mit leichtem zögern akzeptiert wird.  

Nutze eine Art Demo, Prototyp oder MockUp um deinen potentiellen Kunden deine Lösung zu zeigen und erstes Feedback zu erhalten. Dieses Feedback wird dann die Anforderungen an deinen MVP bestimmen. Melde dich wieder bei den bisher interviewten Kontakten, mische aber auch ein paar neue Kontakte darunter.  

Das Solutioninterview läuft wie folgt ab:

 

Vorstellung (2 Min): 

Den Interviewten willkommen heißen, sich Bedanken, erklären woran Du gerade arbeitest, erläutern warum das Interview wichtig ist, wie es ablaufen wird, wie lange es dauert und, dass es nur darum geht zu lernen. Du beschreibst die identifizierten Probleme und eine Lösungsidee präsentieren. Hebe hervor, dass es bisher nur ein Idee ist und das offenes Feedback für die weitere Ausgestaltung wichtig ist. 

 

Daten sammeln (2 Min):

Falls dies das erste Gespräch mit einem neuen Kontakt ist, erfrage hier Daten, die darüber Aufschluss geben, ob der Interviewter in das von dir definierte Kundensegment fällt. 

 

Erzähle eine Story um den Problemkontext zu beschreiben (2 Min):
Illustriere den Hintergrund und Geschichte Rund um die definierten drei Hauptprobleme. Erfrage ob diese Probleme deinen Kontakt ebenfalls betreffen und diese für ihn relevant sind. Fall nein, stoppe hier das Solutioninterview und fahre mit dem Probleminterview fort, um mehr über die aktuelle Situation deines Kontaktes zu erfahren.  

 

Demo (15 Min): 

Für jedes Problem, illustriere wie du gedenkst dieses zu lösen. Mache nach einem Problem eine Pause und vergewissere Dich, ob es Fragen gibt. Weise am Ende darauf hin, dass du gerade dabei bist zu priorisieren was als Erstes umgesetzt werden soll. Frage deinen Kontakt, welche Lösung ihm am hilfreichsten erscheint, welche er am wenigstens braucht und ob es noch Features gibt die derzeit fehlen.  

 

Teste den Preis (3 Min): 

Teile deinem Kontakt mit wie viel das Produkt kosten soll und frage ob er bereit wäre diesen Preis zu zahlen. Der beste Preis ist meist der, den ein Kunde mit etwas zögern bereit ist zu zahlen. Akzeptiert dein Kontakt den von dir vorgeschlagenen Preis also direkt und ohne Zögern, ist er vermutlich zu niedrig. 

 

Ende des Interviews (2 Min): 

Erkläre, dass du gerne wieder ein Interview machen möchtest sobald man mit der Lösung fertig ist. Frage ob du die Person erneut kontaktieren kannst und frage auch nach weiteren Kollegen und Bekannten, die du kontaktieren könntest. 

Am Ende der Interviews solltest du zu folgenden Punkten Klarheit haben: 

  • Du kennst die Daten deiner Early Adopters und aktualisiert das Kundensegment.  
  • Du weißt was das gravierendste Hauptproblem dieses Personenkreises ist.  
  • Du hast ein minimales Set an Features definiert, um die drei Hauptprobleme zu lösen.  
  • Du hast einen Preis definiert den Kunden bereit sind zu zahlen. 
  • Der akzeptierte Preis genügt, um damit ein tragfähiges Geschäft aufzubauen.  

MVP-Interviews

In diesem Interview wird getestet, ob du es schaffts einen bestehenden Kontakt zu überzeugen das Produkt zu kaufen. Wenn es bei bekannten Kontakten in einem direkten und längeren Gespräch schwer fällt das Produkt zu verkaufen wird es um so schwer sein völlig neue Besucher der Landingpage in wenigen Sekunden so zu überzeugen, dass sie zu Kunden konvertieren.  

Das MVP-Interview läuft wie folgt ab: 

 

Vorstellung (2 Min):

Den Interviewten willkommen heißen, sich Bedanken, erklären, dass das Produkt bald veröffentlicht wird, du aber gerne vorher noch einmal Feedback haben möchtest und dem Kontakt gerne die Möglichkeit einräumen willst, dass er einer der ersten ist, der das Produkt nutzen kann.  

 

Landingpage (2 Min):

Zeige dem Kontakt die Landingspage und frage ob er beschreiben kann was das Produkt ist, für was es gut ist und was er als Nächstes machen würde.  

 

Pricingpage (2 Min):
Frage den Kontakt wie er das beschriebene Preismodell versteht und was er davon hält.  

 

Signup und Activation (15 Min):
Bitte den Kontakt selbst die Registrierung durchzuführen und beobachte, wie er durch den Activationflow navigiert.  


Ende (2 Min):

Beglückwünsche den Kontakt, dass er nun zu den ersten Nutzern des Produktes gehört und frage ihn, was beim Prozess noch verbessert werden sollte und ob er weiß was er als Nächstes machen kann. 

Am Ende der Interviews solltest du zu folgenden Punkten Klarheit haben: 

  • Wirkt die die UVP attraktiv? 
  • Versteht der Interviewte die UVP so wie du sie gemeint hast? 
  • Wird die Landingpage verstanden? 
  • Wird der komplette Activationflow durchlaufen? 
  • Wo stimmt die Usability noch nicht optimal? 
  • Passt das was der MVP liefert zu dem was der UVP verspricht? 

Weitere Hinweise zum Ablauf und zur Organisation von Interviews finden sich im Beitrag zu Design Sprints sowie zur Product Discovery.